Freitag, 1. Dezember 2017

Ein neues Leben

Grrrrrrr!

Mein Magen knurrt. Essen... Ich habe Hunger. Wie ein Tier recke ich die Nase in die Luft, ich kann etwas riechen... ein Tabuk? Ich spitze die Ohren. Durch das Rauschen des Wassers hindurch höre ich ein Knacken von Zweigen. Es kommt wie gerufen! Ich muss nur schnell genug sein und durch instinktive List in Kombination mit scharf gestellten Fallen werde ich es schaffen, das Tier zu überwältigen. Woher ich diese Fähigkeiten habe? Ich weiß es nicht. Aber es hält mich am Leben.

Ein Tabuk

Eine ganze Weile lang verfolge ich das Tier an einem Fluss, den Geräuschen von Hufen, dem Schnauben und dem Knacken von Zweigen angespannt lauschend... Seit vielen Mondläufen irre ich durch die Welt, in der ich lebe, und schlage mich durch - bisher sehr erfolgreich. Wie viel Zeit war vergangen, seit ich blutüberströmt am Uferrand aufwachte? Ich habe das Gefühl für Zeit und Raum verloren; überlebe einen Tag, bis der nächste folgt

Das Tabuk muss ganz in der Nähe sein! Nahezu lautlos und immer auf die Richtung des Gegenwinds achtend bewege ich mich voran. Ich lausche angespannt und überlege mir eine gute Strategie. Es darf mir nicht wieder entkommen, ich fühle langsam am Zahnfleisch. Ich streiche über meinen Kinnbart. Er wächst immer länger. Genau wie mein Kopfhaar. Ich musste schon die Seiten meines Kopfes scheren, da das Haar sonst zu sehr im Gestrüpp hängen bleibt. Den Rest binde ich mir mit einem Lederriemen streng zurück. Es wird kälter und bisher fand ich noch keine Möglichkeit das Fell der erlegten Tiere zu tragbarer Kleidung umzuwandeln, ohne dass es mir alle fünf Schritte vom Körper fällt. Meine Finger fahren über die zahlreichen Wunden den Brustkorb entlang. Sie heilen sehr langsam. Langsamer als andere Wunden, die ich mir hier und da durch die Beschaffung von Essen und Material einfange. Aber jetzt ist keine Zeit darüber nachzudenken...


 
"Auu!" Ein Schmerzensschrei reißt mich aus dem aufregenden Jagdtrieb.

Das Tabuk springt aufgeschreckt davon. Fluchend und gleichzeitig verwirrt sehe ich die Ursache des Geräusche. Eine blonde Frau, recht hübsch, sofern ich das trotz ihres Schleiers erkennen kann, grüßt mich als wäre nichts gewesen. Auch wenn sie etwas verunsichert scheint und an mir hinabschaut. Ich vermied stets die Begegnung mit anderen Meinesgleichen. Sie sind mir fremd und verwirren mich. Ich kann mich nicht erinnern je so gelebt zu haben und fühle mich doch immer wieder angezogen. Das macht mich schwach und birgt Gefahren...

Die Unbekannte... die doch vertraute Gefühle weckt...

Genauso verwirrt und dämlich verhalte ich mich jetzt. Ich starre sie einfach nur an, kann mich nicht mal wegbewegen. Es ist Ewigkeiten her, seit ich zuletzt auch nur in der Nähe von diesen Menschen war. Momente vergehen, bevor ich ihr antworten kann. Erst jetzt erkenne ich, dass mich das Tabuk unwissend viel zu nahe an die Zivilisation gelockt hat. Vom Hunger getrieben war ich zu unvorsichtig. Gleich hinter einem Weg nahe am Fluss erstrecken sich steinerne Mauern. Dort leben sie, die anderen. Und ganz bestimmt auch diese Frau. Ich hege den Gedanken wegzulaufen. Aber ich bleibe. ich bin gleichermaßen fasziniert wie abgeneigt. Schwere Entscheidung.

Mein Hunger und die Kälte zwingen mich dann doch zu bleiben. Sie trägt Kleidung und sieht nicht arm aus. Sie kann mir sicher helfen, auch wenn ich es ungerne zugeben möchte. Schließlich schuldet sie mir etwas, sie hat sie mich gerade um meine Beute gebracht! So handle ich, geschickt wie ich bin, ein Angebot aus. Ich bekomme Kleidung und pflücke ihr dafür eine - wie nannte sie es noch gleich? - Kalanafrucht von einem nahegelegenem Baum. Sie erdreistet sich zwar zu behaupten, ich hätte ihn gestohlen (obgleich sich der Baum keineswegs bei mir beschwerte), will mir aber helfen. Unsicher folge ich ihr und zu meinem Schrecken läuft sie geradewegs durch ein Tor direkt in die hohen Mauerbauten. Ich zögere kurz, dann folge ich ihr.
 
Abgeschreckt wie das wilde Tabuk, aber gleichermaßen fasziniert fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Ich kann die Augen nicht von den Bauten lassen. Alles fühlt sich so vertraut und doch so fremd an. Die Frau erwähnte eine Schmiede... Der Name kommt mir bekannt vor. Feuer... Eisen... Waffen... Die Worte zucken wie verschwommene Bilder durch meinen Kopf.

Wir betreten eines der steinernen Häuser. Erst fühle ich mich unwohl bei dem Gedanken so eingeengt zu sein. Aber eine Wärme erfüllt den Raum. Feuer! Wie alltäglich und selbstverständlich flackert es dort vor sich hin. Die Art und Weise Feuer zu behalten fasziniert mich. Ich denke zurück, wie lange ich brauche, um an die warme Lichtquelle zu gelangen, die seit jeher so kostbar für mich war.

Provisorisch eingekleidet. Ich glaube, das gefällt ihr besser!

Ohne viele Worte zu verlieren bekomme ich eine Hose, die ich mit einfachen Bändern zusammenbinden kann. Fühlt sich ungewohnt aber gut an. Passt auch. Die Frau sagt, ich sähe aus wie ein Nordmann. Norden... Norden... Ich habe dort etwas kostbares verloren... Das ist alles, was ich über mich weiß...

Alles ist so verwirrend für mich... Ich brauch erstmal ne Pause!

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