Dienstag, 5. Dezember 2017

Die Prinzessin küsst den Prinzen wach

Du... Du hast mir sehr gefehlt...


Nur langsam schaffe ich es die Augen zu öffnen. Die Heilerin und der Nordmann sind verschwunden. An der Pritsche steht jetzt nur noch die blonde Frau. Die Verbände drücken eng auf die Wunden, jede einzelne wurde penibel gereinigt und verbunden. Als der Schmerz zurückkam, überwältigte er mich von neuem. Jetzt liege ich hier, hilflos stöhnend und das alles nur, weil ich einer Fremden gefolgt bin. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber ich meide die Anderen bisher nicht grundlos!

Die Unbekannte und ich, wir schauen uns lange in die Augen. Lange. Ich muss wohl noch etwas betäubt sein, mir ist immer noch leicht schwindelig, alles außerhalb der Heilerei erscheint mir völlig gleich und bedeutungslos. Um das lange Schweigen zu brechen, tauschen wir kurz Worte aus, bis sie mitten im Wort erstarrt und glasige Augen bekommt. Ich hebe neugierig meinen Oberkörper an, ignoriere den Schmerz, will sie besser ansehen und in ihrer plötzlichen Verhaltensänderung beruhigen. Doch mir fehlen die Worte, so starre ich sie einfach dämlich an. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber die Anderen verwirren mich sehr!

"Du bist Emilio!"

Die Worte hallen leer durch die Heilerei. Ich bin wer? Mir fällt nichts besser ein, als zu antworten: "Du musst mich mit jemandem verwechseln." Doch sie schüttelt den Kopf und erscheint dabei sehr sicher und ernst. Ich bitte sie den Schleier abzulegen, schließlich sehe ich nur ihre haselnussbraunen Augen. Vielleicht erinnere ich mich, wenn ich sie ganz vor mir sehe. Wow, sie hat wohl die schönsten Lippen von Gor! Irgendwie kann sie sich nicht mehr länger zurückhalten und heiße Tränen laufen ungebremst über ihre zart rosa angelaufenen Wangen. Sie ringt mit sich, neigt sich vor, stockt, zögert. Ich starre sie unentwegt an, mein Kopf ist leer und rotiert doch im Gedankenkarusell. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, je eine solche Schönheit gesehen zu haben und doch... Vertrautheit überkommt mich erneut. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber sie machen mich noch wahnsinnig, diese Anderen!

Es geht so schnell. Wo fange ich an? Feuerwerk, Kribbeln, glühende Hitze, eisige Schauer. Alles spüre ich zugleich, während sie ihre weichen, warmen Lippen auf meine presst. Ich kann mir diesen gewaltigen Gefühlsausbruch nicht erklären, aber ich suche auch nicht lange nach Erklärungen. Leider geht alles viel zu schnell. Als sie sich wieder von mir löst und aufsieht, scheint sie ein schlechtes Gewissen zu haben. Bereut sie es? Mein Kopf rotiert von neue. Zwar wiederhole ich mich nur ungerne, aber jetzt ist es offiziell: Ich bin wahnsinnig!

Ich versuche ihr zu folgen. Sie heißt Nasty, erzählt irgendwas von drei Aufgaben und einer Gefährtenschaft, aber ich sei spurlos verschwunden. Und der Bart, das lange Haar, der tiefe Schnitt über das halbe Gesicht... Ich würde so anders verändert. Ich runzle die Stirn so sehr, dass mein Kopf schmerzt. Zeitgleich ist mir alles so sehr egal, ich will sie nochmal küssen und zwar sofort!

Ohne es zu ahnen flüstere ich leise: "Du... Du hast mir sehr gefehlt..."


Erst jetzt, ein paar Ahn später, wo ich alleine im Dunkeln, immer noch hellwach, unruhig und mit Herzrasen auf der Pritsche liege, wird mir bewusst, warum sie mir fehlte. Sie war es, die ich in all den seltsamen Träumen sah, die mich Nacht für Nacht verfolgten. Träume, die ich mir bis heute nicht erklären kann, in denen sie immer wieder auftauchte. Sie war es die ganze Zeit, das Teil, das mir so sehr fehlte, während ich fieberhaft nach einem Hinweis über einen Gegenstand suchte, den ich verloren haben könnte. Und dabei kenne ich nichtmal ihren Namen. Ah, doch, sie heißt Nasty, hat es mir vorhin ja gesagt.

Ich starre an die dunkle Decke und kann alles nicht begreifen.

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