Montag, 4. Dezember 2017

Die Heilerin

Es dauert nicht lange, da sitze ich auch schon auf einer kleinen Pritsche, umgeben von massiven, dunklen Schränken und Regalen, in denen sich schwere Bücher stapeln, und Tische auf denen verschiedenste Gefäße und Glaskaraffen stehen, deren seltsamen Inhalten und vergilbten Ettiketten ich noch nie gesehen habe. Unbekannte Instrumente glänzen eisern im diesigen Licht des abgedunkelnden Zimmers und erwecken ein Gefühl tiefen Argwohns in mir. Ich brauche einen Moment, um mich orientieren zu können und fühle mich unverändert unwohl in geschlossenen Räumlichkeiten. Durch die schweren grünen Vorhänge versuche ich einen verzweifelten Blick nach draußen zu erhaschen, während die Heilerin, die sich Jale nennt, an einem kleinen Waschbecken steht und sich die Hände gründlich mit grünem Paga desinfiziert.

Als sie einen Augenblick später an die Pritsche herantritt und meine Wunden begutachtet, beginnt sie über die Nachlässigkeit einer Behandlung zu schimpfen. Ich sähe aus, als hätte mich ein Kur erwischt und hätte mehr Glück als Verstand, dass ich noch lebe. Woher ich die Wunden eigentlich habe? Gute Frage, wüsste ich selbst nur zu gerne. Ich vernehme aus dem gereizten Stöhnen und Gezeter der etwas gealterten Frau, dass die Behandlung wohl länger dauern könnte.


Argwöhnisch beobachte ich die Heilerin, wie sie etliche Male grünes Paga hervorholt und verschiedene medizinische Instrumente damit reinigt. Aus einem mir völlig unerfindlichen Grund kommen mir die grüne Robe der Frau und der scharfe Geruch von Paga und Salben sehr Vertrauen erweckend vor, weshalb ich mich nicht gegen ihre Anweisungen stelle. Irgendwas von einer Narkose, ich verstehe aber ehrlich gesagt kein Wort davon. Plötzlich soll ich mich meiner neu errungenen Hose entledigen. Naja, ehrlich gesagt fühlt sich der Stoff an meinen Beinen ohnehin ungewohnt kratzig an, weshalb ich ihrer Bitte gerne nachkomme - schon besser, so laufe ich schließlich schon seit immer rum.

Wieder ab auf die Liege, aber diesmal auf den Bauch. Ich weiß nicht, was das soll, aber die Heilerin wird schon wissen, was sie... Autsch! Es war nur ein kurzer Schmerz, aber er kam so unangekündigt, dass mich der plötzliche Piecks übermannt.

Kaum habe ich mich wieder auf den Rücken gedreht, beginnt alles vor meinen Augen zu verschwimmen. Ich muss unweigerlich Grinsen, während Jale vertieft und konzentriert jede einzelne meiner Wunden behandelt. Hin und wieder spüre ich ein leicht unangenehmes Ziehen, aber das kümmert mich genauso wenig wie die Tatsache, dass wir irgendwann nicht mehr alleine sind. Ein Nordmann, Jales Gefährte, und die Frau, die mich in die Stadt gebracht hatte, stehen an meiner Liege, während ich versuche mein dämliches Dauergrinsen zu kontrollieren.

Nach einiger Zeit werde ich wieder klarer im Kopf zu mir kommen und in Verbändern gewickelt sein. Dann wird der Schmerz allmählich zurückkommen. Eine Nacht, in der ich kein Auge zubekomme, steht bevor.

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