Mittwoch, 31. August 2016

Die Oase der Zwei Scimitare



Ich betrete die Oase der zwei Scimitare, die mir bekannte südlichste Wüstenstadt mitten in der Tahari. Mein Magen grummelt und mein Durst treibt mich weiter, obgleich jeder Schritt zu viel für meinen Körper erscheint. Die braun gebrannte Haut glänzt durch den salzigen Schweißfilm. Ich folge den aufgereihten Steinplatten, welche höchstwahrscheinlich den Weg angeben sollen. Die Luft wird etwas angenehmer, Palmen und andere exotische Bäume und Pflanzen, die mir unbekannt sind, werfen angenehmen Schatten auf den sandigen Boden. Hier und da kämpfen sich grüngelbe Grasbüschel aus dem unnachlässigen Sand. Wer auch immer die Schönheit aus diesem verdammt heißen Ort findet, den beneide ich. Es müssen zumindest sehr viele sein, denn die Stadt erscheint mir auf den ersten Blick recht groß. Ein paar Schritte weiter, bisher liegt die Umgebung in einer angenehmen und zeitgleich beängstigenden Totenstille, erkenne ich einen See – die Oase. Das glitzern auf der Wasseroberfläche unterscheidet sich deutlich von der flackernden Hitze einer Fata Morgana. Ich lasse all meine Erschöpfung los und renne zielgenau in das Wasser. Es ist zwar wärmer als ich es von einem See gewohnt war, dennoch tut mir die Nässe auf meinem Oberkörper nach so langer Zeit mehr als gut. Gierig tauche ich meine großen Hände unter die Wasseroberfläche und hebe sie dann wie eine Schale geformt an meine Lippen, um in großen Zügen das Süßwasser (glücklicherweise!) in mich aufzunehmen. Ich saufe wie ein Vieh. Gesättigt von dem Wasser und bis auf die Unterkleidung durchnässt schaue ich mich um. Ich entdecke noch viel mehr Pflanzen rund um das Wasser, deren Art und Nutzen ich nicht einordnen kann, hier und da blitzt zwischen dem ungewohnt satten Grün ein Zelt oder ein Gebäude aus Sandstein hervor. Ein Steg führt in die Mitte des Sees und auf einem Plateau steht ein ganzer Zeltkomplex. Die einzig große Wasserstelle weit und breit stellt natürlich den Mittelpunkt allen Lebens dar und so reiht sich alles so dicht an dem Ufer entlang, wie es praktisch und ästhetisch möglich ist. Das Zelt mitten auf dem See erscheint mir daher ein wichtiger, zentraler Ort zu sein.

Die südlichste Oasenstadt - Der Startpunkt meiner bevorstehenden Pilgerreise

Sicherheitshalber fülle ich auch meinen Wasserschlauch nach, denn Wasser wird für mich kostbarer denn je. Direkt hinter mir, unter einer Gruppe großer, schattenspendender Palmen entdecke ich eine Hängematte. Wie beruhigend dieser kleine Ort auf mich wirkt. Die Stadt scheint immer noch menschenleer, vermutlich steht die Sonne noch zu hoch am Himmel und um diese Zeit bevorzugt jeder mit einem einigermaßen funktionierenden Verstand einen schattigen Platz in den eigenen vier Wänden. Also gönne ich mir ebenso eine Pause unter den Palmen in der Hängematte. Verdammter Boskmist, ist das heiß! 

Der komische Kautz entpuppt sich als freundlicher Musikant - seinen Namen kann ich bis heute nicht aussprechen

Die Hitze setzt mir zu und so tut mir ein kleines Nickerchen wirklich gut. Leider ist es nicht von langer Weile, da ich schon Stimmen höre. Eine wirklich ulkige Gestalt reißen mich aus meinem traumlosen leichten Schlaf. Er sieht aus, als wäre in dem Schlafgewand meiner Mutter unterwegs und trägt ein seltsam gebundenes Tuch um den Kopf gewickelt. Da ich bisher nur von den Taharibewohnern gehört habe, aber niemals jemanden selbst zu Gesicht bekam, gehe ich mal davon aus, dass alle hier so rumlaufen. Kein Wunder, dass die sich nicht aus ihren Häusern trauen. Ich muss mir ein Prusten verkneifen, obgleich der – wie sich herausstellt – Musikant wirklich freundlich und offen wirkt. Gleich zu Beginn meiner Reise stelle ich fest, dass Pilger ein gesondertes Privileg zu haben scheinen, welches mir wirklich zu Gute kommt. Für Kost und Logie wird also gesorgt und so lasse ich mich von dem Hilfsbereiten Wüstenbewohner, der sich übrigens … Giröx de … Chat au nöff… (zweiter unterdrückter Pruster) oder so ähnlich nennt, nicht zwei Mal bitten und ins Teehaus einladen. Ich stelle also fest, dass das wichtige, große Zeltkonstrukt im See das Teehaus darstellt. Eindeutig ein wichtiger Punkt, wo alles zusammenfindet. Allerdings stelle ich auch fest, dass sich hier im südlichsten Süden das Teehaus von der Taverne unterscheidet. Es gibt nämlich separiert noch eine Taverne, die ich sicherlich im späteren Verlauf meines Aufenthaltes noch kennen lernen werde. Erstmal will ich mir dieses interessante Konstrukt eines Zeltes auf dem Wasser schwebend näher anschauen.

In dem Zelt sitzend, ausgestattet mit erfrischendem Essigwasser und einer gemütlichen Sitzgelegenheit, deren weiche Kissen meinem schmerzenden Hinterteil sehr entgegenkommt, und einigen Sklavinnen, lerne ich nicht nur verschiedene Persönlichkeiten, wie die Händlerin der Stadt, die Tatrix Ronja oder den Rarius Ben kennen, sondern weiß auch ihre unglaubliche Gastfreundschaft zu schätzen. Ich erzähle ihnen einen wenig missmutig von meiner jüngst auferlegten Mission als Pilger und der Suche nach dem „Wahren Ich“ und klinge dabei vermutlich so dumm und unwissend, als würde ein Nordmann vom Wüstensand erzählen. Ich finde auch heraus, dass es diese Oasenstadt schon mehr als 12 Märkte lang gibt und das auch gefeiert werden wollte. Das freundliche Angebot solange zu bleiben, um das Fest miterleben zu können, nehme ich gerne an. Schließlich muss ich auch meinen Körper noch ein wenig auf die lange Reise vorbereiten; was ich insgeheim als kleine Ausrede nehme, um meine anstrengende Reise noch etwas hinauszuzögern.

Als ehemals sehr erfahrener Pilger erzählt mir der Musiker von der abschließenden Pilgerfeier, in der alle erfolgreichen Pilgerreisenden geehrt und ausgezeichnet werden, damit sich die Mühe auch bezahlt macht. Hierfür muss ich in den Tempel zu Sardar reisen, dort, wo die Priesterkönige in den Bergen verweilen. Während ich noch in Gedanken darüber schwelge, wie ich die Urkunde entgegennehme, beginnt eine Sklavin, deren feurig rotes Haar wie flüssige Lava von den Schultern fällt, zu tanzen. Die Kleine, die scheinbar dem Musiker gehört, stimmt ein Lied mit ein. Und so beruhige ich mich bei dem ansehnlichen Anblick des erhitzen Sklavenfleisches in einem überraschend klimatisierten Zelt… Scheinbar noch ein Grund, warum das Teezelt auf dem Wasser gebaut wurde.

Mit der eben erwähnten Händlerin, die sich übrigens kurz und knapp Sammy nennt, verstricke ich mich in eine Interessante Diskussion über die Schleierpflicht. Irgendwie scheinen es die Südländer aus dem südlichsten Teil vom Süden nicht ganz so eng zu nehmen. Kein Wunder, wenn ein Weib eine ganze Stadt regiert. Da kann das Sprichwort: „Ausnahmen bestätigen die Regel“ ja nur gang und gebe sein. Im weiteren Verlauf erfuhr ich sogar von einer ganzen Likörsammlung. Die Sorten klingen meinen Geschmacksknospen fremd… Datteln, Pflaumen, Zitronen, Feigen. Die darauffolgende Likörverkostung war köstlich und ergiebig. Aus was man doch alles Likör verarbeiten konnte… Erstaunlich. Die Auswirkungen der hochalkoholischen Getränkeproben bekomme ich schnell zu spüren. Erschlagen von den vielen Eindrücken, Düften und der Wärme und den süßlichen Geschmack von dem Dattellikör auf der Zunge begebe ich mich wieder hinaus in die mittlerweile schwülwarme Nachtluft. Ich möchte schlafen, irgendwo, wo ist mir egal. Und so lasse ich mich wieder in die gute Hängematte unter den Palmen fallen, obgleich mir eine Herberge angeboten wurde. Rotzevoll schlafe ich schneller ein, als ich meine Augen schließen kann. Die Folgen des hohen Alkoholgehaltes dieses klebrig süßen Likörs würden sich am nächsten Morgen bemerkbar machen, wenn ich mich aus der schaukelnden Hängematte mit brummendem Kopf auf die Beine kämpfe.

Dienstag, 30. August 2016

Der Weg zur Selbstfindung



Jetzt sitze ich also hier, in der öden staubtrockenen Hitze, umgeben von nichts als Sand. Lediglich ein paar Palmenzweige spenden lächerlich wenig Schatten – aber lieber so, als in der brütenden Sonne gleißend vor mich hin zu braten wie ein Tarsk am Spieß. Schweiß perlt mir von der Stirn und ich nehme den letzten Schluck des mittlerweile pisswarmen Wassers aus meinem Wasserschlauch. Buäh! Wäre meine Kehle nicht so furchtbar trocken, hätte ich das Zeug wieder ausgespuckt. Ich hebe meinen Blick und lasse ihn mit zusammengekniffenen Augen über die Wüstenlandschaft schweifen. Am Horizont erstrecken sich flackernd in den Hitzewallungen Gebäude in den blassblauen, wolkenlosen Himmel. Wenn mich nicht alles täuscht – und bei den Priesterkönigen, lass es keine Fata Morgana sein – liegt eine Stadt mitten in der Wüste. Die Oase der Zwei Scimitare! Dort wird es Wasser, Nahrung und eine Unterkunft für mich geben. Meine erste Station werde ich also in Kürze erreichen. Und ich fühle mich jetzt schon beschissen genug, um wieder umkehren zu wollen, in meine angenehm klimatisierte Heimat, einem kleinen Dorf am Fuße des Voltai-Gebirges, in der Nähe von Talmont.

Darf ich vorstellen? Emilio Jamal - Jäger aus dem Voltai-Gebirge

Warum war ich noch gleich auf die unsinnige Idee gekommen Haus und Hof zu verlassen, um mich irrwitzig und Hals über Kopf in eine Pilgerreise zu stürzten? Was waren noch gleich die Worte des Dorfältesten, ehe er mich mit dem albernen Stab losschickte? Selbstfindung? Wahres Ich? Bedeutung des Goreanischen Lebens? Ich gebe zu, ich bin nicht gerade der Freigeist. Die Blaue Kaste ist mir so fremd, wie einer Pagaschlampe. Dafür beherrsche ich die wilde Jagd. Tarsk, Verr, Kailiauk, Tabuk, sogar Larl und Sleen habe ich erlegt, ein Dutzend mindestens. Mir ging‘s gut! Ich hatte genügend Fleisch, Knochen, Sehnen, Felle, Leder und die anderen kleinen und großen Schätze eines ordentlich geschossenen Wildtieres. Meine Ware war begehrt, auch bei den reichen Hochkästigen. Die Weiber schmolzen dahin beim Anblick meines Körpers, so einige hätten sicher hübsch in einem eisernen Kragen an meiner Seite gemacht. Warum also sollte ich all das hinter mir lassen, mich stattdessen auf eine Reise zur angeblichen Selbstfindung machen? Habe ich mich nicht bereits selbst gefunden?

Leider waren die Worte und vor allem der Rat des Dorfältesten einem Rat der göttlichen Priesterkönige gleichzustellen, sodass ich ohne Widerspruch meine sieben Sachen packte und das nächste Schiff auf dem nahegelegenen Thassa-Fluss nahm. Meinen geliebten Speer und den selbstgeschnitzten Bogen ließ ich zu Hause. Hier würde ich zurückkehren, wenn ich das Sardar-Gebirge, das Ziel einer jeden erfolgreichen Pilgerreise, erreicht habe. Jetzt sitze ich mehr als 4.000 Passang später – die letzte Hälfte größtenteils auf einem Kaiila reitend – unter einer einzelnen Palme. Ich schloss mich vor einigen Tagen einer Karawane an, welche ebenfalls die Oase ansteuert. Das Fahrende Volk war mir nicht ganz geheuer. Der Begriff „Händler“ fiel hier schnell, aber womit sie handeln, wollten sie mir bis jetzt nicht verraten. Dennoch erfüllten sie soweit ihren Deal: für ein bisschen Trockenfleisch und Leder meiner kostbaren Vorräte bringen sie mich heil und sicher in die Oase der Zwei Scimitare und stellen mir sogar ein Kaiila zur Verfügung. So viel reiten war ich gar nicht gewohnt und jetzt brennen meine Muskeln und mein Arsch schmerzt unglaublich. Prüfend greife ich mir in den Schritt, auch dort schien alles Wund gescheuert, doch ich wagte keinen Blick unter den Hosenbund. „Los, weiter!“ Die Stimme des Karawanen-Anführenden, einem älteren Mann, der für sein Alter dennoch standhaft dem Sand und der Hitze trotzt, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich erhebe mich. Jetzt ist es nicht mehr so weit. Sicherlich schaffen wir das letzte Stück auch noch.

Die Ahn ziehen sich hin, meine Lippen sind trocken und sandig. Ein Wind kam auf, unangenehm peitschen mikroskopisch kleine Sandkörner ins Gesicht. Ich muss blinzeln und schlinge mir ein Stück Stoff schützend um Mund und Nase. Allmählich erkenne ich mehr und mehr Grüne stellen, hier und da, wo sich karge Äste aus dem unnachgiebigen Sandmeer kämpfen, schlage zarte Knospen aus. Das Tor zur Oase der Zwei Scimitare tut sich auf. Das Abenteuer kann beginnen! … Und dabei fühle ich mich jetzt schon, als hätte ich eine ganze Pilgerreise hinter mir…